Trennungskinder in der Corona-krise

Immer mehr Väter berichten uns, dass ihnen ihr Kind trotz Umgangsrecht von den Müttern vorenthalten wird. „COVID-19“ wird hier als Begründung für die Verweigerung vorgeschoben. Darf ein Elternteil von sich aus beschließen, dass das Kind nicht mehr zum anderen Elternteil darf? Wir haben uns an Rechtsanwalt Jochen Scholz, Fachanwalt für Familienrecht, gewandt und ihn um ein Interview gebeten. 

 

Guten Tag Herr Ra. Scholz und vielen Dank, dass sie sich die Zeit nehmen für das Interview. Stellen sie sich doch unseren Lesern einmal bitte vor.

Guten Tag, sehr gern. Mein Name ist Jochen Scholz, ich bin 43 Jahre alt und bin Fachanwalt für Familienrecht. Ich bin Anwalt in der Kanzlei Heinen I Scholz in Bad Münder und Barsinghausen.  

COVID-19 hat uns alle ja nun erreicht und in unserem alltäglichen Leben eingeschränkt. Viele Väter berichten nun, dass ihnen teilweise ihre Kinder vorenthalten werden.

Ganz konkret geht es um einen Fall im Wechselmodell, beide haben das Sorgerecht und Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Mutter möchte das Kind nun bei sich belassen, ohne dass es hier einen Grund in Form von Krankheit oder ähnlichem auf einer der beiden Seiten gibt. Ist das zulässig?

Ganz grundsätzlich gilt, dass bei gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht und nicht vorhandener gerichtlicher Regelung des Lebensmittelpunkts des Kindes ein Elternteil allein gerade nicht zu entscheiden hat, wo das Kind seinen Aufenthalt hat. Ich kann die Sorge um die Gesundheit verstehen, aber auch diese rechtfertigt keine Alleingänge. Das gilt für beide Elternteile.

Bedeutet also, dass bei einem Wechselmodell das Kind ganz normal zu übergeben ist. Was ist, wenn ich dafür das Kind mit Bus und Bahn abholen muss, weil kein Auto vorhanden ist? Würde sich bei einer Ausgangssperre etwas daran ändern?

Nach jetzigem Stand ist der Umgangs-/ bzw. Betreuungsrhythmus wie gewohnt weiterzuführen. Natürlich hat jeder Elternteil seinen Beitrag dafür zu leisten, dass Ansteckungsrisiken minimiert werden.

Es gelten die allgemeinen Hinweise (gründliches Händewaschen, Vermeidung von Sozialkontakten, Abstand halten etc). Wenn und soweit ein Elternteil auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, dann müssen diese auch benutzt werden – eben mit der entsprechenden Vorsicht. Zudem sollten die Kinder jeweils nicht in Kontakt treten mit den Großeltern.

Die Beziehung Eltern-Kind(er) ist aber nach jetzigem Stand nur einzuschränken, wenn tatsächlich eine positive Testung vorliegt oder wenn es Kontakt gegeben hat zu einer positiv getesteten Person. Dann müssen Kontakte vermieden werden. Im Falle einer Ausgangssperre kommt es darauf an, wie diese gesetzlich ausgestaltet wäre. Es muss jedem Bürger die Möglichkeit belassen werden, seine Grundversorgung zu erledigen. Hierzu gehört auch die Betreuung des Kindes bzw. der Kinder.

Soweit darauf geachtet wird, dass in dieser Zeit keine Kontakte zu Dritten stattfinden, ändert auch eine Ausgangssperre nichts am Umgangsrecht oder an der Betreuung im Wechselmodell.

Und wie sieht es in den Fällen aus, wo es zwar ein geteiltes Aufenthaltsbestimmungsrecht gibt, das Sorgerecht aber bei der Mutter liegt und der Vater das Kind nur alle 2 Wochen am Wochenende sieht?

Gibt es solche Konstellationen tatsächlich? Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein (wenn auch das wohl gewichtigste) Teil des Sorgerechts. Wenn die Kindesmutter das übrige Sorgerecht mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrecht allein ausübt, dann kann sie in all diesen Fragen allein entscheiden – nicht aber in der Frage des Aufenthalts und es gilt das oben Gesagte.

Man muss auch immer unterscheiden, ob das Gericht bereits Entscheidungen getroffen hat bezüglich des Sorgerechts bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder ob die Kindeseltern untereinander Absprachen getroffen haben. Im Zweifel gilt, dass eine gerichtliche Entscheidung umzusetzen ist, solange bis diese etwaig abgeändert worden ist. Ein Elternteil allein kann eine solche Regelung nicht ändern oder aussetzen.

Soweit es keine gerichtliche Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht gibt und auch nicht zum Umgang, hat auch kein Elternteil das Recht, Vorgaben zu machen.

Andererseits wird hier leider oft die Macht des Faktischen ausgeübt und dann hat meistens der Elternteil das Nachsehen, bei dem das Kind gerade nicht ist – meistens der umgangsberechtigte Vater.

Ist eine gerichtliche Umgangsregelung vorhanden, ist diese ebenso zu beachten und zu befolgen. Gerichtliche Entscheidungen gelten auch in Zeiten der Corona-Krise.

Gestatten Sie mir eine persönliche Anmerkung: In diesen Zeiten sind Kinder verunsichert, weil sich deren normales Leben auch gerade völlig verändert. Es ist Aufgabe der Eltern, den Kindern trotz allem Sicherheit zu geben. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, dass die normalen Kontakte zu den Elternteilen stattfinden. Schließlich müssen sie schon auf Schule und ihre Freunde verzichten

Da stimmen wir Ihnen zu 100% zu. Kommen wir zur letzten Frage. Wie sollte sich ein Vater verhalten, wenn die Mutter nun eben das Kind nicht aushändigt und klärende Gespräche nichts bringen. Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es um nun doch sein Kind zu sehen?

Dann sollte man zunächst den Weg über das Jugendamt gehen. Es hängt dort aber sehr stark davon ab, welcher Sachbearbeiter zuständig ist, d.h. wie engagiert sich dieser einsetzt. Meistens können die dortigen Sachbearbeiter auch nur gemeinsame Gespräche anbieten – und diese werden gerade jetzt ja nicht stattfinden können. Es hilft somit nur der Weg zum Familiengericht.

Existiert eine Umgangsvereinbarung, die auch vernünftig mit Ordnungsmitteln bedroht ist für den Fall des Verstoßes hiergegen dann sollte ein Ordnungsantrag gestellt werden. Existiert keine gerichtliche Regelung, dann müsste ein entsprechender Antrag beim Familiengericht gestellt werden. Unbedingt sollte dann aber ein Antrag auf eine Einstweilige Anordnung gestellt werden, da das Gericht ansonsten erst in fernerer Zukunft terminieren wird. Das Gericht kann im Rahmen einer einstweiligen Anordnung auch ohne mündliche Verhandlung oder Anhörung entscheiden.

Die Corona-Krise darf auf keinen Fall dazu ausgenutzt werden, um einem Elternteil den Umgang mit dem gemeinsamen Kind zu verwehren. Natürlich gilt etwas anderes, wenn eine positive Testung bei einem Beteiligten vorliegt. Man muss aber den großen Zusammenhang im Blick haben und wenn sich jeder an die Regeln hält, ist auch der Umgang bzw. der Wechsel des Kindes kein Problem. Eine „Durchseuchung“ der Bevölkerung ist letztlich auch gewollt, eben nur langsam.

Dazu muss der Großteil irgendwann infiziert sein, um immun zu werden. Die Eltern haben die Verantwortung, dass der „Kreis der Familie“ geschlossen wird. Mit „Vermeidung von Sozialkontakten“ kann nach meiner Auffassung aber nicht das Verhältnis eines Elternteils zu seinem (Klein-) Kind gemeint sein. Genau so wie man von der Kindesmutter verlangen muss, so wenig Sozialkontakte nach außen zu haben, kann und muss man es vom Kindesvater verlangen. Darauf muss aber auch die Kindesmutter vertrauen. ■

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