Helikopter-Eltern – Wie viel Mama und Papa schadet dem Kind?

Außer Mama, Papa und Eltern gibt es für die Erziehungsberechtigten eines Kindes seit einiger Zeit eine weitere Bezeichnung: Helikopter-Eltern bzw. Hubschrauber-Mutter und Hubschrauber-Vater. Was zunächst lustig oder nach fürsorglichen Elternteilen klingt, hat dennoch eine negative Konnotation. Hubschraubereltern werden als Übereltern wahrgenommen, die einen vielleicht schon krankhaften Hang zu erzieherischem Perfektionismus haben.
Die Papa.de Redaktion hat sich das Phänomen der Hubschrauber-Eltern näher angeschaut…

Wie viel Mama und Papa schadet dem Kind?

Diese Frage scheint berechtigt, denn der noch relativ neue Erziehungsstil kommt insgesamt bei namhaften Experten wie Kinderpsychiater Michael Winterhoff und Jesper Juul nicht sonderlich gut weg. Auch die Medien bashen auf die Helikopter-Eltern ein, so die Ansicht der FAZ Journalistin Inge Kloepfer, die sich in ihrer Auffassung dem britischen Soziologen Frank Furedi anschließt.

Dieser ist der Überzeugung: Hubschrauber-Eltern sind das Produkt, jahrelanger Warnung vor falscher Erziehung. Eltern seien dadurch massivst verunsichert worden und daher nun darauf konditioniert, bloß alles perfekt zu machen und in Erziehungsangelegenheiten nichts, aber wirklich gar nichts dem Zufall zu überlassen.

Was sind Helikopter-Eltern und was machen sie falsch?

Bild helikopter eltern

Bereits bei der Recherche für Einleitung und Beschreibung des Begriffs Helikopter-Eltern wird klar: Das wird ein Streitthema. Die Diskussion um die omnipräsenten Hubschraubermütter und Hubschrauberväter wird mit Leidenschaft geführt und in Kampfsprache ausgefochten. Vor allem auf der Seite jener Mamas und Papas, die nicht zu den neumodischen Übereltern gehören. Und die? Was machen die neuen Übereltern eigentlich, was so schlimm sein soll?

Helikopter-Muttis und Helikopter-Papas sind die Lebens-Manager des Nachwuchses. Und Bodyguard. Und Abschirmdienst. Von Angst, Besorgnis und dem Bestreben, die Elternrolle in meisterhafter Perfektion ausfüllen zu müssen getrieben. Rund um die Uhr damit beschäftigt, alle möglichen und unmöglichen Gefahren für Leib, Leben und Seele des Kindes von diesem abzuschirmen. Jedes noch so erdenkliche Risiko gilt es im Vorfeld auszumerzen. Da macht es keinen Unterschied, ob tatsächlich ein Risiko vorhanden ist oder einzig in Gedanken konstruiert wurde. Das Kind muss geschützt werden – vor was und wem auch immer.

Hubschraubereltern toppen mit ihrem Behüterwahn normal besorgte Eltern um ein Vielfaches und bauen um ihre Kinder herum einen Abwehrschirm auf, der zwischen dem Kind und dem Leben außerhalb dieses Abwehrschirms zur unüberwindbaren Hürde wird. Nachfolgende Beispiele typischer Verhaltensweisen solcher Übereltern verdeutlichen diesen Erziehungsstil.

Kinder von Helikopter-Eltern dürfen:
… bis zur weiterführenden Schule und darüber hinaus den Schulweg nicht alleine bestreiten.
… den Schulranzen nicht selbst tragen, denn dies könnte den Rücken schädigen.
… ihr Fleisch nicht selbst schneiden, obwohl sie es bereits könnten oder lernen sollten.
… nicht in Pfützen springen, sie könnten erst nass, dann krank werden.
… das Kinderzimmer, die Wohnung, das Haus nur mit einem GPS-Tracker verlassen.
… nicht mit auf Klassenfahrt oder Skifreizeit, weil solche Aktivitäten zu gefährlich sind.
… im Sommer nachmittags nicht zum Spielen rausgehen, da Sonne Hautkrebs macht.

Diese Liste ließe sich mit allerlei Absurditäten weiter fortsetzen, denn es gibt kaum  Lebensbereiche, kaum normalkindliche Entwicklungsszenen, bei denen Helikoptereltern nicht irgendeine Gefahr für das Kind und somit entsprechenden Handlungs- und Weisungsbedarf sehen.
Dies bedeutet für jene Kinder immer:

  • massive Einschränkungen bei altersgerechten Aktivitäten
  • zahlreiche Verbote, einfach etwas auszuprobieren
  • keine persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten

Während andere Eltern ihren Kindern mit zunehmendem Alter und zunehmender Reife mehr Freiräume lassen, behandeln Hubschrauber-Eltern sogar bis ins Erwachsenenalter ihren Nachwuchs wie Säuglinge, die permanente Fürsorge brauchen.

Frisch gewindelt in den Hörsaal der Uni

Was bis hier hin für euch lesende Papas und Mamas wie überspitzte Formulierungen geklungen haben mag, ist alles andere als das. Die eben angeführten Beispiele sind erst die Spitze des Helikopter-Eltern-Eisbergs.
Universitäten beklagen die umklammernde Eltern-Betreuung bis in die universitären Vorlesungen hinein. Laut Tagesspiegel.de haben Städte wie Münster, Freiburg, Cottbus und Berlin einen Info-Tag für Eltern zukünftiger Studenten eingerichtet. Wie man im Wikipedia Artikel über Hubschrauber-Eltern sehen kann, reagiert auch die Verwaltung der Universität Duisburg-Essen auf Mütter und Väter, die nicht loslassen können. (https://de.wikipedia.org/wiki/Helikopter-Eltern#/media/File:M.g_Elternwarnung_Uni_Duisburg_Essen.JPG)
Dort wird Eltern per Aushang mitgeteilt, dass ihnen in der Uni nur dann Fragen beantwortet würden, wenn die ersuchenden Eltern glaubhaft versichern können,

  • dem Kind am morgen die getragenen Kleidungsstücke rausgelegt zu haben.
  • die Frühstücksdose mit gesundem Frühstück gepackt zu haben.
  • am Morgen beim Verlassen des Hauses die Jacke zugemacht zu haben.

bei der Verabschiedung an der Haustür kontrolliert haben, ob das Kind auch wirklich den Weg zur Universität einschlägt.

Eltern, die es aus Sorge um das studierende, aber auch erwachsene Kind in die Uni treibt, fühlen sich möglicherweise nicht ernst genommen, wenn sie den Aushang der Uni Duisburg-Essen entdecken. Damit haben diese Eltern nicht ganz Unrecht. Professoren und Dozenten bleiben die Probleme mit den dauer-gewindelten Studenten nicht verborgen und wer nicht selbst wie ein Hubschrauber 24/7 über und um sein Kind kreist, tut sich ebenfalls schwer damit, diesen Erziehungsstil ernst zu nehmen oder ihn gar für gut zu befinden.

Wie wirken Helikopter-Eltern auf Außenstehende?

Wie der Helicopter-Erziehungsstil bewertet wird, hängt maßgeblich vom Betrachter ab. In der Tat wird dieser überfürsorgliche Erziehungsstil von den meisten Soziologen, Erziehungswissenschaftlern und Psychologen als kranhaftes, zwanghaftes und paranoides Verhalten eingestuft. Die Süddeutsche vergleicht Helikopter-Eltern mit dem NSA, der die lückenlose Überwachung blind und im Schlaf beherrscht. http://www.sueddeutsche.de/leben/helikopter-eltern-verwoehnung-kontrolle-und-panische-fruehfoerderung-1.1756293
Der Artikel der Süddeutschen befasst sich mit dem Buch “Helikopter-Eltern” von Josef Kraus. Ein Buch, in dem der Autor mit diesen Eltern hart ins Gericht geht; Fast 15 % aller Eltern sollen betroffen sein. Geht es nach seiner Meinung, “dressieren” jene Eltern die Kinder durch Förderprogramme. Buchautor Kraus weiß, wo von er schreibt. Viele Jahre Lehrer am Gymnasium, Schulpsychologe, Schulleiter und dann ab 1987 Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Der Experte warnt vor den Folgen, die dieser Erziehungsstil auf Kinder hat. Damit steht er nicht alleine da.

Was macht die Helikopter-Erziehung mit den Kindern?

Eins ist klar: Alle Elternteile machen sich Sorgen um ihr Kind und sind bemüht, Gefahren von Töchtern und Söhnen abzuwehren und wollen möglichst alles dafür tun, dass sich der eigene Nachwuchs toll entwickelt. Subjektiv empfunden machen das jene Eltern auch.

Doch Mütter und Väter, die den neumodischen Erziehungsstil anwenden, schränken ihre Kinder ein. Auf vielen Ebenen. Die betroffenen Kinder haben keinen Raum mehr, um sich auszuprobieren und sich entfalten zu können. Die Permanentüberwachung einhergehend mit der kompletten Organisation des Lebens bis in das kleinste Detail hemmt jede Möglichkeit der freien Entfaltung. Erfolge des Kindes basieren nicht auf Ausprobieren und Lerneffekten, sondern auf Drill, Disziplinierung und Dressur, wie Pädagoge und Buchautor Josef Kraus letzteres bereits deutlich zum Ausdruck brachte.

Kraus wirft entsprechenden Eltern zudem “Babytuning im Mutterleib” vor, die bereits in der Schwangerschaft auffälliges Verhalten zeigen. Noch ehe das Kind geboren wird, haben die Eltern bereits das Leben und die Zukunft des Embryos geplant. Per Ultraschall wird die Schwangerschaft überwacht, mehr, als es im Rahmen der vorgeburtlichen Vorsorge üblich ist. Bereits im Säuglingsalter wird erzogen, bewacht und die Persönlichkeit in From gebracht, anstatt liebevoll versorgt. Von Kleinauf gilt es für das Kind, das beste, erste, schnellste, intelligente und am frühsten entwickelte Kind seiner Altersklasse zu sein.

Niederlagen – gibt es nicht. Denn bevor ein Helikopter-Kind jemals die Chance auf eine Niederlage bekommt, haben die Hubschrauber-Mütter und Hubschrauber-Väter wie beim Curling jedes Staubkörnchen aus dem Weg geräumt, das vielleicht (!) zur Stolperfalle werden könnte. Im Leben der Hubschrauberkinder gibt es keine Misserfolge, keine Niederlagen, keine gescheiterten Versuche – und darum auch keine Leistungen, auf die es stolz sein könnte. Keine Ängste, die es überwinden könnte. Kein Selbstvertrauen, das in einem solchen Kind erwachsen könnte.

Doch die überbehütete Kindheit und das ewige Curling der Eltern macht auch noch etwas anderes mit den Kindern. Eltern, die ihren Kindern alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen und selbst dann alles managen, obwohl die Kinder Situationen alleine lösen könnten, sprechen ihren Kindern per se ihre Fähigkeiten ab und zeigen, dass sie kein Vertrauen in ihre Kinder haben. So wachsen Kinder heran, die nur wenig empathiefähig sind und die auch nur wenig mit Gefühlen anfangen können.

Die Folge: Eine Generation Gestörter

Bild was-sind-helikopter-eltern

Hubschrauber-Erziehung ist die völlige Entmündigung bereits im Kindesalter und mündet in eine konsequent anerzogene Lebensunfähigkeit, die einhergeht mit freiheitsentziehenden Maßnahmen – von Kleinkindalter bis ins Erwachsenenalter. Jene Kinder werden eingeschränkt, isoliert, können sich nicht ausprobieren, keine altersgerechten Risiken eingehen und daraus ihre Lehren ziehen. Sie werden zu physisch kranken Menschen erzogen, wie zahlreiche Studien zeigen.

Das Schweizer Magazin Beobachter.ch (https://www.beobachter.ch/erziehung/helikopter-eltern-kinder-unter-der-kaseglocke) bezieht sich auf eine britische Universitätsstudie, die festgestellt hat, dass die betroffenen Kinder wesentlich häufiger Opfer von Mobbing werden. Sie haben ja nie selbst lernen müssen, sich gegen andere zur Wehr zu setzen. Bisher immer durch die Eltern von Konfrontationen mit Dritten abgeschirmt, wird die erste Konfrontation ohne elterlichen Abschirmdienst gleich als psychischer Terror empfunden, für den so aufgewachsene Kinder keine adäquaten Lösungen im Verhaltensrepertoire haben.

Jesper Juul im Interview mit Spiegel (http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/helikopter-eltern-wie-ueberbehuetung-den-kindern-schaden-kann-a-915507.html) über das, was Helikopter-Eltern ihrem Nachwuchs antun:
„Sie ersparen ihren Söhnen und Töchtern sogar den Anblick eigener Trauer, etwa beim Tod der Großeltern. Solche Kinder wissen nichts über andere Menschen und nichts über sich selbst. Sie wissen nicht, was es heißt, traurig oder frustriert zu sein, sie kennen deshalb kein Mitgefühl.“

Und der Kinderpsychiater Michael Winterhoff findet in seinem Buch “Warum unserer Kinder Tyrannen werden” in eben jenem Helikopter-Erziehungsstil die Erklärung, weshalb immer mehr Kinder und Jugendliche therapiebedürftig sind. Gerade dort, wo Kinder von besonders engagierten Eltern erzogen werden und alles für die Kinder getan wird, erlebt man gravierend verhaltensauffällige Kinder, die schon im Grundschulalter regelrecht ausrasten. Die Fähigkeit, auch mal schwierige Situationen aushalten zu können, wurden schlicht nicht erlernt.

Auch hohe Erwartungshaltungen an die Kinder und hoher Leistungsdruck, erzeugt durch die Eltern, ist ein Krankmacher. Helikopter-Eltern wollen nicht nur perfekt erziehen, sondern verlangen dem Nachwuchs ebenfalls Perfektion ab. Beste schulische Leistungen und akademischer Werdegang statt Selbstverwirklichung. Drogenkonsum ist dann häufig die Folge, wenn sich der jugendliche Heranwachsende all dem Druck nicht mehr gewachsen sieht.

Wie viel Fürsorge und Erziehung brauchen Kinder?

Hubschraubermütter und Hubschrauberväter handeln nicht in böser Absicht, sondern aufgrund tiefsitzender Verunsicherung. All die vielen Elternratgeber, die einem sagen, was man als Vater und Mutter zu tun hat. Und dann die vielen Warnungen, wie gefährdet Kinder durch z. B. Plötzlicher Kindstod, Straßenverkehr, Impfungen, Spielzeuge aus Plastik, Handystrahlen, Schadstoffe in Textilien usw. sind. Hinzu kommt der Druck, Kinder so früh wie möglich zu fördern.

Denn Bildung ist alles und wer nicht von Kleinauf immer vorne ist, hat in unserer Gesellschaft keine Zukunft. Ja, das kann für Eltern ein Spießrutenlauf werden, all diesen neuen Ansichten und Idealen hinterherzujagen. Immer im Zwiespalt, in Erziehungsangelegenheiten alles richtig zu machen und gleichzeitig im Leben des Kindes so gut es eben geht, auf Sicherheit zu achten, kann der erzieherische Einsatz in Überbehütung ausarten, die dann zur Kindeswohlschädigung wird.

Bei der Kindererziehung ist es offenbar, wie in der Chemie: Die Dosis macht das Gift. Betroffenen Eltern täte es gut, würden sie sich an die eigene Kindheit besinnen. Nicht jede Erinnerung der Kindheit ist positiv, doch gerade dort, wo man selbst als Kind Grenzen testen, Fehler machen und manchmal auch schmerzhafte Erfahrungen sammeln durfte, haben wir unsere Kompetenzen und Stärken gebildet.

Mutter und Vater sein, heißt eben nicht, das eigene Leben bei der Geburt des Kindes im Kreissaal aufzugeben und nur noch die Kindererziehung in den Lebensmittelpunkt zu stellen. Denn es gibt etwas, das für jedes Kind viel wichtiger und lehrreicher ist, als perfekte Erziehung: Mit Mama und Papa zu leben! Je mehr, desto besser.

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2 Kommentare

  1. Servus, deine Artikel sind immer so lesenswert. Bitte weiter so! Herzliche Grüße

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